Reichow in Ratingen: Fortsetzung und Schluss

Ja, er hat es wieder getan: Reichow hat wieder sein  Arschlochsprüchlein aufgesagt. Satz für Satz, Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe. Hier in Ratingen. Allerdings fehlte am Sonntag das freudige Gejohle der  Damen so wie in Mainz, als er am 17. Februar die „Arschlöcher“ erstmals in den Mund nahm.  In Ratingen gab es zwar auch Applaus von der Weiblichkeit, aber doch insgesamt etwas zurückhaltender und leiser.

ReichowGrinsen

Aber eins nach dem anderen:  Kurz nach 17 Uhr hatten wir uns direkt vor der Stadthalle versammelt: Wir, glorreiche Sieben, drei Frauen und vier Männer, die Ratinger Ratsfraktion und vier Freunde aus Mettmann. Wir alle standen bereit um den arglosen Theaterbesuchern die Augen zu öffnen mit wem sie es da auf der Bühne zu tun haben sollten. Dazu hatten wir freundliche Einladungsbriefe zu einer Ratinger Kontrastveranstaltung vorbereitet, die wir an den Mann bzw. die Frau bringen wollten. Erstes Problem: Wir hatten unseren Stehtisch mit einer blau-roten AfD-Husse versehen. Das schreckte das Publikum ab, so dass die meisten einen weiten Bogen um uns machten. Also runter mit dem Dekor! So waren wir jetzt nicht mehr auf den ersten Blick als AfD-Parteigänger zu erkennen. Wir wollten ja unser nettes Einladungsschreiben bei den Theaterbesuchern loswerden. Jetzt lief es schon besser, aber immer noch nicht so wie wir es uns wünschten.  Denn die meisten öffneten gleich den Umschlag, sahen das AfD-Logo auf dem Briefkopf und machten spontan auf dem Absatz kehrt nur um uns den Brief wieder in die Hand zu drücken: Igittigitt! Nur wenige machten sich die Mühe unseren Einladungstext tatsächlich in voller Länge zu lesen.

Ich war gewarnt: Reichow hatte tags zuvor einen Auftritt in Wesel und ich hatte vorher mit den Parteifreunden dort gesprochen. Nein, sie würden keine Aktion durchführen. Reichows Publikum sei nicht die geeignete Zielgruppe für die Ansprache durch die AfD: Ein saturiertes, halbgebildetes Bürgertum, das von den Mainstreammedien bequem eingelullt wird, keinerlei Problembewusstsein entwickelt gegen die Zumutungen schwarzrotgrüner Politik und sich von der ARD-Tagesschau bestens informiert glaubt. Und tatsächlich: Genau diese Erfahrung machten wir auch in Ratingen.

So gegen viertel vor sechs wurde es dann spannend. Irgendjemand hatte die Polizei alarmiert. Eine bewaffnete Polizeistreife trat an uns heran. Was wir hier denn so machen und ob wir eine Genehmigung hätten? Freundlich klärten wir die beiden Beamten auf, dass politische Parteien in Ratingen keine Erlaubnis für Info-Stände benötigen. Wir bieten hier vollkommen friedlich unsere Flyer für eine Informationsveranstaltung an.  Aber offensichtlich hatten einige Angestellte oder Theaterbesucher Angst bekommen, dass wir womöglich mit einer hinterhältigen Attacke die ganze Vorstellung sprengen könnten. Erstaunlich, welches Drohpotential uns zugetraut wurde. Nach Aufnahme unserer Personalien und Mitnahme eines unserer Einladungsblätter verabschiedeten sich die Ordnungshüter überaus freundlich. Da war es aber auch schon kurz vor sechs. Nur schade, dass wir ausgerechnet in der letzten Viertelstunde keine Gelegenheit mehr hatten unsere Einladungsbriefe zu verteilen. Ich hatte als einziger aus der Runde eine Eintrittskarte gelöst und so fiel mir als alleinigem die Aufgabe zu, die Reichowsche Darbietung über sich ergehen lassen zu müssen. Aber was solls! Es gibt unangenehme Dinge, die muss man aushalten können. So wie den Besuch beim Zahnarzt, eine Darmspiegelung, das Politikressort der Rheinischen Post oder eben Reichow.

Die Vorstellung hatte schon begonnen als ich auf dem oberen Rang Platz nahm. Hinter mir gewahrte ich in der letzten Reihe einen hochrangigen städtischen Beamten. Ich will seinen Namen hier nicht nennen; vermutlich beobachtete er das Geschehen von oben um rechtzeitig zu agieren und Alarm zu schlagen falls unsereins die Vorstellung sprengen sollte. Aber es kam natürlich ganz anders. Reichow zog der Reihe nach seine flachen Späße ab. Ich wunderte mich nur, dass vor allem das weibliche Publikum seine plumpen Plattheiten mit lautem Giggeln goutierte.  Für unsereins war das langweilig; ich kannte den ganzen Sermon schon wortgleich von der ARD-Mediathek aus Oktober 2022. So etwa die Geschichte vom rasenmähenden Nachbarn und der Ehefrau die alles macht. Lästig: Das deutlich hörbare Schniefen und Zischeln beim Atemholen wie wir es von Jogi Löw kannten. Aber vielleicht gehört auch das zum Programm.

Irgendwann kam der bekannte Arschlochspruch und dann war auch schon Halbzeitpause. Knappe zwanzig Minuten Erholung! Dann wieder zurück in den Zuschauerraum, diesmal auf den gebuchten Platz vorne in der dritten Reihe. Reichow verschwitzt aus der Nähe, kein schöner Anblick.   Und weiter ging es  im üblichen Programm. Irgendjemand muss ihm in der Pause unseren Flyer zugesteckt haben; jedenfalls ersparte er sich die Beleidigung der britischen Königsgemahlin als „Schabracke“.  Das ohnehin niedrige Niveau der Darbietung verflachte noch weiter. Aber er hatte das passende Publikum. Um in seinem Jargon zu sprechen: Reichow passte zu seinem Publikum wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer. Und dankbar goutierten sie fast alle seine Absonderungen. Vornehm gesagt: Zu jedem Topf gibt es den passenden Deckel und zu jedem Deckel findet sich auch ein passender Topf. Reichow und seine Adepten: Das passte und die hatten sich schon vorher gefunden. Brüder und Schwestern im Geiste.  Irgendwann kam bei mir ein Anflug von Mitleid bei Anblick seiner Albernheiten. Ich dachte an den Uralt-Schinken„ Professor Unrat“ mit den unvergesslichen Emil Jannings in der Hauptrolle. Wie er tief gesunken sich vor einem miesen Publikum in der Kikeriki-Szene zum Gespött macht. Die Würde des Menschen ist unantastbar, das haben wir verinnerlicht. Aber wenn sich jemand selbst entwürdigt? Seit Monaten zieht Reichow nun dieselbe Nummer ab; Satz für Satz, Wort für Wort, immer gleiche Grimasse. Wie hält man das nur aus? Aber mein Mitleidsgefühl war nur von kurzer Dauer. Jeder ist seines Glückes Schmied. Auch der Komiker Reichow weiß was er tut.

Zum Schluss wurde es noch einmal richtig peinlich: Reichow heischte um den finalen Beifall.   Eins, zwei und dann bitte noch einmal.  Absolut unpassend: Sein Ausflug in das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Aber die Performance war zu gut einstudiert um die Gefühlsaufwallung wirklich als glaubwürdig erscheinen zu lassen. Comedy und Kriegstote: Das gibt keine gute Mischung. – Um halb zehn dann endlich das Ende der Vorstellung. Uff!

Ob sich das Ganze gelohnt hat? Eigentlich schade um die investierte Zeit. Für den politischer Beobachter und Kommentator hätte es lohnendere Objekte als ausgerechnet Reichow gegeben. Zumal unsere Politiker schon von sich aus die perfekten Karikaturen abgeben. Aber es ist einfach zum Kotzen, wenn jeder dahergelaufene Schnösel sich durch die mediale Hetze ermuntert fühlt, mit primitivem Vulgärvokabular auf die unbequeme Opposition einzuprügeln. – Mal sehen, ob wir noch eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit kriegen. Für die Publicity wäre das nicht schlecht. Trotzdem: Es war gut und richtig, dass wir hier Gesicht gezeigt haben. Wir lassen uns nicht alles gefallen. Wir geben Kontra!

Ein herzliches Dankeschön an die Freunde aus Mettmann, die das alles mit uns durchgestanden haben!

Herzliche Grüße,    Bernd

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Autor: hansberndulrich

born 1950, university degree in mathematics, physics. Interested in all topics of natural science, history, politics and economics

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