Sehr geehrtes Kreistagsmitglied,
ich schreibe Sie heute an, weil Sie vermutlich als Mitglied des Kreistags Mettmann in der Kreistagsversammlung am 21.3.2024 anwesend waren. Sollte diese Vermutung nicht zutreffen, dann betrachten Sie bitte dieses Schreiben als gegenstandslos.
Ich hatte in der unten beschriebenen Angelegenheit zunächst Herrn Landrat Hendele angeschrieben und gebeten, mein Anliegen in der nächsten Sitzung aufzugreifen. Herr Hendele nahm den Inhalt zur Kenntnis; erkläre sich für unzuständig und gab mir den Rat, ich möge mich doch an die Kreistagsmitglieder persönlich wenden. Aus diesem Grund erhalten Sie dieses Schreiben.
In der Kreistagsversammlung am 21.3. wurde ich, Bernd Ulrich, persönlich von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Waldemar Madeia auf üble Weise diffamiert. Hier die Passage aus seiner wörtlichen Rede:
… denn diese Trierer Erklärung lag natürlich schon im Ratinger Rat vor und der hat sich meines Wissens dem auch angeschlossen. Und Ihr AfD-Mitglied Ulrich, der ist ja jetzt nicht so weit weg von Ihnen, hat dann anschließend eine Erklärung dazu abgegeben, hat diese Erklärung, bzw. das Beitreten des Ratinger Rates mit den Novemberpogromen achtunddreißig in Verbindung gebracht und hat von Schande gesprochen. Hat von Schande gesprochen. Und da muss ich sagen, das wiederum ist tatsächlich schandhaft. Und da müssen Sie mal eine Reinigung durchführen.
Hier verdreht der CDU-Fraktionsvorsitzende meine ehrliche Betroffenheit über das Gebaren des Ratinger Rates in geschickter Weise und insinuiert, dass ich die Trierer Erklärung mit den Pogromen der Nazis gleichgesetzt hätte. Das ist in der Tat eine bösartige Verleumdung. Natürlich wäre ein offenes, ohne jeden Hintergedanken getätigtes Bekenntnis zu den unveräußerlichen Menschenrechten niemals eine Schande, sondern eine schlichte Selbstverständlichkeit. Was Herr Madeia verschweigt: Die Fraktionen im Ratinger Rat hatten auf den diffamieren Vorspann der „Trierer Erklärung“ noch weitere Verleumdungen draufgesetzt:
… seit die Geheimpläne von AfD-Politikern zu rassistischen Deportationen öffentlich wurden, regt sich heftiger Protest, es gab erfreulich viele und vielfältige Demonstrationen im ganzen Land. Die AfD verachtet unser solidarisches Miteinander, unsere Grundrechte, unsere Freiheit, unsere demokratische Republik ….
Zudem wurde diese diffamierende Ratsvorlage ohne unsere vorherige Kenntnisnahme und ohne Einhaltung von Fristen entgegen der Geschäftsordnung des Rates auf den Weg gebracht. (Anmerkung: Um den Formfehler zu heilen wurde die Vorlage in der Ratinger Ratssitzung vom 19.März erneut zur Abstimmung gebracht, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst zusätzliche, dem Narrativ der „Millionenfachen Deportationen“ widersprechende Informationen über den tatsächlichen Charakter des Treffens vorlagen!)
In Wirklichkeit habe ich das Mitläufertum verurteilt. Ein Mitläufertum, das von jeher eine ungute Tradition in Deutschland hatte, sich in der Nazizeit beim Boykott jüdischer Geschäfte und Pogromen manifestierte und das wir längst überwunden glaubten.
Zum Zeitpunkt der Ratinger Ratsresolution am 6. Februar war bereits bekannt, dass die Kampfbegriffe „Deportation“ und „Vertreibung“ auf dem besagten privaten Potsdamer Treffen, von Correctiv als „Geheimplan gegen Deutschland“ apostrophiert, überhaupt nicht gefallen sind. Auch inhaltlich geht der Vorwurf völlig fehl, denn Correctiv hat inzwischen aktenkundig eingeräumt, ich zitiere aus der anwaltlichen, unwidersprochenen Pressemitteilung der Kanzlei, welche den Staatsrechtler Dr. Ulrich Vosgerau (CDU) vertritt:
Angeblich geplante Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien: Correctiv stellt schriftsätzlich klar, dass dieser Hauptvorwurf gar nicht Thema des Treffens war Correctiv hatte durch überspitzt inszenierte Wertungen den falschen tatsächlichen Eindruck hervorgerufen, Thema des Potsdam-Treffens sei die Ausweisung deutscher Staatsbürger nach rassistischen Kriterien gewesen.
Hunderttausende gingen völlig zu Recht empört gegen diese vermeintlichen Pläne auf die Straße. Jedoch: es gab sie nie. Sieben Teilnehmer des Treffens hatten vor Gericht eidesstattlich versichert, dass die vermeintlichen Ausweisungspläne nicht Gegenstand der Diskussion waren.
Wenn aber wider besseres Wissen und möglicherweise sogar gegen eigene Überzeugung von Mandatsträgern ein Stimmverhalten ausgeübt wird, mit dem die Diffamierung und gesellschaftliche Ausgrenzung von Menschen befördert werden, dann knüpft dieses tatsächlich an die genannten unguten Verhaltensweisen der Vergangenheit an. Gerade von Ratsmitgliedern als Repräsentanten demokratischer Parteien würde man eine vertiefte Einsicht in das reale politische Geschehen und eine gewissenhafte Sorgfalt bei Abstimmungen erwarten. Dies muss insbesondere bei so schweren Invektiven wie „rassistische Deportationen“ gelten. Ein plumper Fraktionszwang ist für Mandatsträger nirgendwo gesetzlich vorgeschrieben. Im Gegenteil: Ein gewählter Repräsentant sollte nach seiner eigenen Einsicht, bestem Wissen und Gewissen urteilen und entsprechend votieren. Genau das ist in Ratingen nicht passiert; im Gegenteil!
Und so hatte ich, noch tief bewegt und aufgewühlt durch die uns widerfahrenden Demütigung geschrieben:
….Jetzt, nach fast drei Wochen, hätten die Ratinger Ratsmitglieder genügend Zeit gehabt um sich kundig zu machen. Stattdessen haben sie allesamt wider besseres Wissen und trotz unseres eindringlichen Appells an die Vernunft dieser unglaublichen Diffamierungserklärung zugestimmt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen, die noch vor der namentlichen Abstimmung, die wir beantragt hatten, den Saal verlassen hatten.
„Es tut mir leid das zu konstatieren: Es ist genau der gleiche Ungeist eines bequemen Mitläufertums, der schon am 1. April 1933 den Boykottaufrufen der Nazis willig folgte und später am 9. November 1938 beim Pogrom Beifall klatschte. Ich hätte das hier in unserem Ratingen niemals für möglich gehalten. Ich und meine Fraktionskollegen mussten sich aber eines Besseren belehren lassen. Schande!“
Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor ohne jede Einschränkung. Ich habe allerdings aus dem veröffentlichten Text die Referenz auf die Ereignisse von 1933 und 1938 gestrichen. Simple Gemüter könnten irrtümlich auf den Gedanken kommen, dass ich die uns auferlegten Schikanen und Ausgrenzungen mit den grausamen Schicksalen der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft gleichsetzen wollten. Das ist beileibe nicht der Fall. Davon sind wir als Opposition gottseidank noch sehr weit entfernt.
Ich hatte ursprünglich Herrn Landrat Hendele gebeten, diesen Inhalt zu meiner Ehrenrettung den übrigen Kreistagsmitgliedern, welche Ohrenzeugen der Ausführungen des Herrn Madeia zu meiner Person waren, zur Kenntnis zu geben.
Ich könnte noch weiter über die Wortwahl einer von Herrn Madeia angeregten „Reinigung“ ausführen. Das erspare ich mir an dieser Stelle.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ulrich